"Wie können diese 'unkirchliche' religiöse Wiederbelebung und ihr Einfluß auf Religion und Politik im heutigen Rußland erklärt werden? Meine These ist, daß der 'Glaube ohne Kirchenbindung' aus einem Konflikt zwischen der Amtskirche und der Gemeindekirche, zwischen offizieller Orthodoxie und Volksorthodoxie herrührt. Diesen Konflikt kann man bis ins zaristische Rußland zurückverfolgen, aber er erlangte neuen Schwung in der Sowjetära, als der Staat versuchte, den 'konter-revolutionären' Klerus und den 'Aberglauben' auszumerzen, zuallererst durch eine Attacke auf die Amtskirche." (Textauszug)
Ausgehend von der revisionistischen Forschung zur "Säkularisierung", welche den Schwerpunkt vom Nichtglauben auf die Entkirchlichung verlagert hat, analysiert die Studie den Prozess der "Entkirchlichung" in Russland zwischen 1860 und 1940. Der Fokus liegt auf den Kirchengemeinden und deren Mitgliedern, nicht auf der institutionalisierten Kirche und den Geistlichen. Im Beitrag wird betont, dass die Religion in Russland nicht wie in Westeuropa an Bedeutung verlor, sondern eine Bewegung der Kirchengemeinden hervorbrachte, die aufgrund des Angriffs der Bolschewiki auf Kirche und Geistlichkeit in den 1920er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Das wiederum löste die "große Wende" in der Religionspolitik aus: die systematische Schließung von Kirchengemeinden und Repressionen nicht nur der Geistlichkeit, sonder auch der Laienaktivisten während des Großen Terrors.
In March 1922 (in the very heat of the campaign to confiscate Church valuables), L.D. Trotskii sent a memorandum to the Politburo, arguing that the "proletarian revolution had finally reached the Church." Indeed it had: over the next few years the Russian Orthodox Church would undergo tremendous convulsions and intense internal conflict. In May 1922, amidst a violent confrontation with the bolshevik state over the seizure of Church valuables, a small group of radical priests took control of the Church and engineered a temporary but controversial withdrawal of Patriarch Tikhon from active leadership. Their aim was not only to end the conflict with Soviet authorities (by recognizing its legitimacy and endorsing its confiscation of church valuables), but also to implement fundamental reforms in Russian Orthodoxy.